"Dominus flevit"

 

Dieser Ort am Abhang des …lbergs, der einen schšnen Blick auf die Stadt Jerusalem gewŠhrt, ruft die TrŠnen ins GedŠchtnis, die unser Herr und Heiland im Anblick der Stadt wegen der Verstocktheit ihrer Bewohner vergossen hat, als er sich am Palmsonntag im Triumph Jerusalem nŠherte:

Lk 19,42-44: "Als Er nŠher kam und die Stadt sah, weinte er Ÿber sie und sagte: 'Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hŠttest, was dir zum Frieden dient. Es wird eine Zeit fŸr dich kommen, in der deine Feinde rings um dich einen Wall aufwerfen, dich einschlie§en und von allen Seiten bedrŠngen. Sie werden dich und deine Kinder zerschmettern und keinen Stein auf dem anderen lassen; denn du hast die Zeit der Gnade nicht erkannt."

"Jerusalem, Jerusalem, du tštest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt werden. Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln wie eine Henne ihre KŸcklein unter ihren FlŸgeln sammelt; du aber hast nicht gewollt!" "Volui!" Ich wollte - "Noluisti"- Du hast nicht gewollt.

Der weinende Jesus! WorŸber weint er? †ber die Verstocktheit und Unbu§fertigkeit seines Volkes. Muss er auch Ÿber unser Volk und seine Unbu§fertigkeit weinen? Muss er auch Ÿber die Unbu§fertigkeit und Verstocktheit dieses oder jenes guten Bekannten oder gar Verwandten, der uns nahe steht, weinen? Muss er etwa auch Ÿber meine eigene Unbu§fertigkeit und Verstocktheit weinen? Herr, befreie mich von aller Unbu§fertigkeit und Verstocktheit und lass mich lieber Ÿber meine SŸnden und Ÿber fremde SŸnden, an denen ich vielleicht mitschuldig geworden bin, ReuetrŠnen vergie§en. Man braucht sich solcher TrŠnen nicht schŠmen. Denken wir an die aus Liebesreue kommenden TrŠnen der Maria Magdalena: "Da war ein Weib in der Stadt, eine šffentliche SŸnderin, und als sie erfuhr, dass Jesus im Haus des PharisŠers Simon zu Tische sa§, brachte sie ein AlabastergefŠ§, trat weinend von hinten an seine FŸ§e heran und begann, seine FŸ§e mit TrŠnen zu benetzen; sie trocknete sie mit den Haaren ihres Hauptes und kŸsste seine FŸ§e und salbte sie mit dem Salbšl." Die SŸnderin Magdalena und der PharisŠer Simon sind zwei Welten, an denen deutlich wird, was wirklich Glaube ist: Der PharisŠer Simon sitzt im stolzen Turm seiner Selbstgerechtigkeit und selbst gemachten ReligiositŠt, hinter der kein echter Glaube war; Magdalena aber kniet reuig im Staub der Armseligkeit vor Gott. Ihrem Glauben schenkt sich das Erbarmen des SŸnderheilands. Das Wasser ihrer TrŠnen, das auf Jesu FŸ§e tropfte, wurde gleichsam zum Taufwasser, das sie gerecht machte, rechtfertigte und ihr zur Wiedergeburt der Gnade verhalf.

Denken wir auch an einen anderen Simon, an Simon Petrus: Er hat seinen Herrn und Meister verleugnet. Dreimal verleugnet. Dann aber brach beim Gedanken an seine Feigheit und an seine LŸgen: "Ich kenne diesen Menschen nicht!" jŠh zusammen. Er ging hinaus und weinte bitterlich, damals, als der gefesselte Heiland an ihm vorŸbergefŸhrt wurde.

Wie kostbar ReuetrŠnen sind, erleben wir vielleicht im negativen Sinn auch an Judas, dem VerrŠter des Herrn. HŠtte er seinen Verrat beweinen kšnnen die Verzweiflung hŠtte ihn wohl nicht zum Selbstmord getrieben. Warum konnte er nicht weinen? Hatte ihn die Geldgier verhŠrtet? Hatte ihn der Wille zur Macht in einem irdischen Messiasreich verblendet? Warum entquollen seinem Herzen keine ReuetrŠnen? Er hatte doch seine Tat bereut, wie es der Evangelist ausdrŸcklich berichtet; warf er doch den Feinden Jesu den VerrŠterlohn vor die FŸ§e. War etwa seine Reue zu rationalistisch? In seinem erstarrten Herzen vermochte der Abgrund der gšttlichen Barmherzigkeit seinen erkannten Abgrund der Bosheit nicht aufzuheben. Petrus hatte doch auch schwer gesŸndigt. Er weinte aus Liebesreue ReuetrŠnen, Judas aber nicht.

UnwillkŸrlich denkt man hier auch noch an jene Frauen, die auf dem Kreuzweg Jesu Ÿber ihn weinten. Der Herr sagte zu ihnen: "Weint nicht Ÿber mich, weint Ÿber euch und eure Kinder!"

An der echten Liebesreue der hl. Maria Magdalena und des hl. Petrus nŠhrte sich frŸher eine aus Glauben und Erfahrung gewonnene christliche SpiritualitŠt der TrŠnen, die auch in der Liturgie ihren Niederschlag fand. Unter den Orationen des ršmischen Messbuches fanden sich frŸher drei auf die Messfeier verteilt Gebete um die "Gabe der TrŠnen". Sie gestatten einen Blick in eine ziemlich unbekannte Region echter christlicher Fršmmigkeit, fŸr die man heute kein Sensorium mehr hat: "AllmŠchtiger, gŸtiger Gott, um den Durst der HebrŠer zu stillen, hast Du aus dem Felsen eine frische Wasserquelle entspringen lassen. Lass unseren steinernen Herzen TrŠnen der Reue entflie§en, dass wir unsere SŸnden beweinen und dein Erbarmen erlangen.- Herr und Gott, schau gŸtig auf das Opfer, das wir deiner MajestŠt darbringen zur Tilgung unserer SŸnden. Gib, dass unsere Augen Ÿberflie§en von TrŠnen, und die hei§en Flammen auslšschen, die wir fŸr unsere SŸnden verdienen. - GŸtigster Herr, gie§e uns die Gnade des Hl. Geistes ein; verleihe uns ReuetrŠnen, die die Befleckungen unserer SŸnden auszulšschen vermšgen, und schenke uns in deiner Ÿberreichen GŸte die ersehnte Verzeihung!"

Aus den acht Seligpreisungen in der Bergpredigt des Herrn kommt uns da noch die Seligpreisung in den Sinn, die da lautet: "Selig, die Trauernden, sie werden getršstet werden!" Es gibt wohl Heilige, fŸr die diese Seligpreisung ganz besonders galt: sie waren traurig und weinten TrŠnen darŸber, dass Gott durch die SŸnden und Laster der Menschen oft so schrecklich beleidigt wird, und sie weinten TrŠnen, weil sie spŸrten, dass Gott nicht oder viel zu wenig geliebt wird. Wer denkt da nicht an den weinenden hl. Franziskus? Untršstlich weinte er, weil "die Liebe nicht geliebt wird".

Noch einmal wird uns in den Evangelien vom weinenden Jesus berichtet. Jesus vor dem Grab seines toten Freundes Lazarus. Warum diese TrŠnen - so mšchte man fragen, wo Jesus doch wusste, dass er seinen Freund in wenigen Minuten zum Leben wieder auferwecken wird. Und doch der Herr weint. Er weinte nicht blo§ deshalb, weil er den Lazarus so lieb hatte. Er weinte sicher vor allem deshalb, weil er zu gut wusste, wie viel Leid mit dem Tod verbunden ist, der nicht sein mŸsste, sondern erst durch die SŸnde der Stammeltern in die Welt gekommen ist. So schreibt der hl. Paulus im Ršm 5,12: "Wie durch einen Menschen die SŸnde in die Welt kam und durch die SŸnde der Tod, und wie auf solche Weise der Tod, weil alle (in dem einen Menschen) gesŸndigt haben, auf alle Menschen Ÿberging..." Wie tršstlich, dass der Všlkerapostel im gleichen Kapitel des Ršmerbriefes hinzufŸgen konnte: "Wenn durch die Verfehlung des einen die vielen starben, so wurde Gottes Gnade, das Gnadengeschenk des einen Menschen Jesus Christus, noch viel reicher fŸr die vielen."(Ršm 5,15).

"Dominus flevit". Der Herr hat geweint und er hat Mitleid mit uns armen SŸndern gehabt. Darum nahm Er das schmerzvollste Leiden und Sterben auf sich um uns von SŸnde und Tod und ewiger Verdammnis zu erlšsen. Danken wir Ihm in diesen Tagen, da wir in seiner irdischen Heimat weilen dŸrfen, fŸr alles, was Er fŸr uns getan hat, um uns das ewige Heil zu erwerben. Tragen wir in seinem Geist der SŸhne alles Bittere und Schmerzliche bis hin zur Verkennung und Verfolgung. Denn es gilt uns dann der Trost, den der Herr seinen JŸngern gespendet hat mit den Worten: "Ihr werdet weinen und wehklagen, die Welt aber wird jubeln. Ihr werdet trauern, aber aus eurer Trauer wird Freude werden. Wenn eine Frau vor der Geburt steht, hat sie Angst, weil ihre Stunde geschlagen hat, wenn dann das Kind geboren ist, denkt sie nicht mehr an die Angst aus lauter Freude, dass ein neuer Mensch auf die Welt gekommen ist. Ihr habt jetzt auch Angst. Aber Ich werde euch wiedersehen. Dann wird sich euer Herz freuen. Und diese Freude wird euch dann niemand mehr nehmen."

Diesen wahrhaft gšttlichen Trost gibt der Herr allen, die um seinetwillen TrŠnen vergie§en. Amen.